Capital Wirtschaftsnachrichten


16.11.2025 18:00
In den USA füllen immer mehr Unternehmen ihre Kassen mit Bitcoins und anderen Kryptoassets – und machen daraus ein eigenes Geschäft. Das ist extrem anfällig für Kryptowährungsschwankungen
16.11.2025 16:00

Warren Buffett wusste schon vor mehr als 25 Jahren: Wenn sich Börsenwerte von der Realität entkoppeln, droht ein Crash. Sein „Buffett-Index“ zeigt aktuell genau das an

Die Tech-Rally in den USA geht ungebrochen weiter. Trotz vorübergehender Rücksetzer überfahren Anleger dabei alle Warnsignale: Seit US-Präsident Donald Trump im April seinen globalen Zollkrieg vom Zaun brach, haben die US-Börsen eine fast nahtlose Aufwärtsbewegung hingelegt. Der S&P 500 ist seit dem von Trumps ersten Zolldrohungen ausgelösten Markteinbruch um sagenhafte 36 Prozent gestiegen.

Der S&P 500 bildet den Marktwert der 500 größten US-Konzerne ab. Doch der wird inzwischen fast nur noch von Tech-Riesen dominiert: Ein Drittel der Marktkapitalisierung hängt an den sieben größten Tech-Giganten - Nvidia, Microsoft, Apple, Amazon, Meta, Broadcom und Alphabet. Die von der KI-Revolution getriebene Börseneuphorie sprengt inzwischen alle historischen Grenzen - und Maßstäbe für die Blasenbildung an den Finanzmärkten. Einer davon ist der sogenannte Buffett-Index, benannt nach Warren Buffett, der Investmentlegende aus Omaha. Er zeigt, wie enorm die KI-Rally inzwischen geworden ist.

Warren Buffett: „Spiel mit dem Feuer“

Der Buffett-Index setzt den aktuellen Marktwert aller US-Aktien ins Verhältnis zur tatsächlichen Größe der US-Wirtschaft. Wie jeder Index ist er angreifbar und bildet nicht alle Faktoren ab. Aber er sei „wohl der beste Indikator dafür, wo die Bewertungen zu einer beliebigen Zeit gerade stehen“, argumentierte Buffett in einem Artikel für „Fortune“ erstmals vor mehr als 25 Jahren.

Denn der Index misst im Prinzip, wie stark sich die Kurse an der Börse von der realen Wirtschaftskraft eines Landes entkoppelt haben, die theoretisch das Gewinnpotential von Firmen und damit ihre Kursentwicklung bestimmen sollte. Er zeigt damit, wie stark von Spekulation getrieben die Börsenwerte sind. „Wenn das Verhältnis sich 200 Prozent nähert, spielt man mit dem Feuer“, warnt Buffett.

Daran gemessen müssten die Alarmglocken heute noch viel lauter schrillen als 1999, kurz vor dem Dotcom-Crash, als Buffett seine Beobachtungen erstmals öffentlich machte und sich der Index in die Höhe geschraubt hatte. Denn inzwischen liegt er nicht nur bei fast 140 Prozent wie damals. Seit dem Beginn der KI-Revolution Ende 2022 ist er mit den aufgeblähten US-Aktienkursen geradezu explodiert - auf sagenhafte 220 Prozent.

Das bedeutet: Der gesamte Börsenwert aller US-Konzerne, der von der Kursexplosion der Tech-Riesen gepusht wird, ist damit nun mehr als doppelt so groß wie die reale US-Wirtschaft. Das gab es noch nie: weder vor dem Dotcom-Crash, noch zu Beginn der US-Finanzkrise 2007 oder sonst irgendwann in der Geschichte der US-Aktienmärkte. „Das aktuelle Verhältnis signalisiert klar Überbewertung bei Aktien und verstärkt die Befürchtungen einer Blasenbildung“, analysiert die britische Barclays-Bank.

Blick in den Rückspiegel

Es ist ein rotblinkendes Warnsignal. Denn historisch gesehen sind extrem von der wirtschaftlichen Realität entkoppelte Börsenwerte ein zuverlässiger Vorbote für Finanzcrashs. Buffett warnte vor solch verrückten Aktienkursen erstmals nur Monate bevor der Internetboom der 90er Jahre spektakulär in sich zusammenklappte. Der Buffet-Index stieg damals auf „ein nie dagewesenes Level. Das hätte ein unübersehbares Warnsignal sein sollen“. Doch die Investoren juckte es nicht. Ähnlich wie heute.

Dabei sind die Zusammenhänge evident: Buffett fiel auf, dass sich die US-Aktienkurse zwischen 1964 und 1981 faktisch seitwärts bewegt hatten - obwohl sich die reale Wirtschaft in der gleichen Zeit nahezu vervierfachte. Von 1981 bis 1998 verzehnfachten sich die Börsenwerte dann - obwohl die reale Wirtschaft nur knapp halb so viel wuchs wie im vorherigen Zeitraum. Für Buffet gab es dafür - neben der dramatischen Veränderung der Zinsen und der Profitabilität der US-Firmen - nur eine Erklärung: Spekulation. Er nannte sie eine „gefährliche und chronisch wiederkehrende Krankheit“.

Sie lässt sich laut Buffett damit erklären, dass Investoren notorisch „kurzsichtig“ sind: „Menschen lassen sich gewohnheitsmäßig vom Rückspiegel leiten - und meist nur von dem, was sie gerade hinter sich sehen.“ Sie richten sich immer nach der letzten Krise, die sie noch im Kopf haben. Oder nach dem Boom, der gerade läuft. Deshalb kaufen sie Aktien, wenn sie steigen, und verkaufen sie, wenn sie fallen - obwohl es ein wertorientierter Anleger eigentlich genau umgedreht machen müsste. Das Muster zieht sich durch alle Jahrzehnte. Sobald Rallys einmal laufen, setzt der Herdentrieb ein: „Was wenige 1925 aus dem richtigen Grund kauften, kauften viele 1929 aus dem falschen Grund“, schreibt Buffett.

„In regelmäßigen Abständen verliert der Markt völlig den Verstand“, konstatierte Buffett. Als groben Indikator dafür entwickelte er den Buffett-Index. Er zeigt, wann Aktien massiv über- oder unterbewertet sind. Heute wie damals gilt demnach die Warnung, die Buffett kurz vor dem Dotcom-Crash aussprach: „Damit der Markt weiter dramatisch hätte steigen können, hätten die langfristigen Zinsen deutlich fallen oder die Unternehmensgewinne drastisch zulegen müssen.“ Beides ist möglich: KI verspricht beispiellose Produktivitätsgewinne und somit astronomische Gewinnsteigerungen.

Die Aktienmärkte befinden sich nun auf völlig unbekanntem Terrain. Die Ungewissheit, wie es weitergeht, brachte kürzlich der Analyst Stacy Rasgon von Bernstein Research auf den Punkt. KI-Pionier Sam Altman „hat die Macht, die Weltwirtschaft für ein Jahrzehnt ins Chaos zu stürzen oder uns alle ins gelobte Land zu führen. Wir wissen bloß noch nicht, wie die Karten liegen.“

Der Beitrag ist zuerst bei ntv.de erschienen. Das Nachrichtenportal gehört wie Capital zu RTL Deutschland.

16.11.2025 15:00

First Solar aus den USA profitiert vom KI-Boom, trotz Trumps Widerstands. Während die Märkte zwischen Euphorie und Skepsis schwanken, zeigen Knorr-Bremse, Wix.com und OpenAI, wo Chancen liegen

In dieser Folge von Aktien fürs Leben beweist der amerikanische Solarzellenhersteller First Solar Stärke, trotz politischen Gegenwinds. Während Trumps Agenda die Branche bremsen könnte, profitiert das Unternehmen vom wachsenden Energiehunger durch KI-Rechenzentren weltweit.

Auch sonst sorgt die Tech-Welt für Bewegung: OpenAI steht nach Gerüchten um mögliche Staatshilfen in der Kritik, während Shortseller Michael Burry gegen Nvidia und Co. wettet. Hier gehen Capital-Chefredakteur Timo Pache und Aktien-Expertin Petra Ahrens darauf ein, ob die KI-Blase platzt.

In Europa überzeugt der Traditionskonzern Knorr-Bremse mit robuster Performance nach schwierigen Jahren. Und aus Israel überrascht Wix.com: Die Plattform für Webseitenerstellung setzt auf KI. Ob das eine Chance oder eine Belastung wird, bleibt offen. Außerdem: Ein Blick auf die Aktienmärkte zwischen Innovation, Energiehunger und wachsender Skepsis gegenüber dem KI-Hype.

16.11.2025 14:00

Weil sie die Preise kaum noch erhöhen können, sparen Lebensmittel-Produzenten bei Packungsgröße und Inhaltsstoffen. Vor allem Schokolade steht dabei im Fokus

Schokolade und Kaffee führen erneut die Liste der Lebensmittel an, die sich zuletzt am stärksten verteuert haben. Das geht aus den am Mittwoch vorgelegten Inflationsdaten des Statistischen Bundesamts hervor. Demnach sind Süßigkeiten aus Schokolade im Vergleich zum Vorjahresmonat um 21,2 Prozent teurer geworden. Für Kaffee zahlen Konsumentinnen und Konsumenten im Schnitt fast 22 Prozent mehr. Dabei haben sich Lebensmittel insgesamt im gleichen Zeitraum nur um 1,3 Prozent verteuert. 

Die Gründe sind bekannt: Klimawandel, Extremwetter und Krankheitsbefall führen immer häufiger zu Ernteausfällen. Politische Krisen und Spekulationsgeschäfte treiben die Weltmarktpreise für die exotischen Bohnen zusätzlich in die Höhe. Schon Anfang 2024 zogen die deutschen Importpreise für Kakaobohnen und -masse extrem an. Im Vergleich zum Niveau von 2021 haben sie sich nahezu verdreifacht.

Die höheren Importkosten machen sich auch im Supermarktregal bemerkbar - allerdings mit deutlicher Verzögerung und in abgeschwächter Form. Schokoladenhersteller geben die Preiserhöhungen sozusagen häppchenweise weiter, um Käuferinnen und Käufer nicht abzuschrecken. Verbraucherschützer warnen jedoch bereits, dass der Blick aufs Preisschild allein nicht ausreicht: Oft greifen Lebensmittelkonzerne auf subtilere Taktiken zurück, um ihre Gewinne abzusichern. 

Schokoriegel ohne Schokolade

Dass etwa viele Schokoladentafeln in diesem Jahr um zehn Gramm leichter wurden, ist in Deutschland bereits aufgefallen. Anderswo sparen Hersteller jedoch auch bei den Inhaltsstoffen. So berichtet die „New York Times“, dass US-Anbieter längst reihenweise die Rezeptur ihrer Schokoriegel angepasst haben, um die Produktionskosten zu senken. Der verstärkte Einsatz minderwertiger Fette anstelle teurer Kakaobutter hat jedoch zur Folge, dass viele Marken das Wort „Milchschokolade“ von der Verpackung streichen mussten. 

Die deutschen Verbraucherschützen haben dafür schon einen Begriff geprägt: „Skimpflation“ nennt es sich, wenn an wertvollen Zutaten gespart wird und dafür andere, günstigere Ersatzstoffe zum Einsatz kommen. Selten sind die Fälle so eindeutig und klar gekennzeichnet wie in den Beispielen der „New York Times“. Doch auch in Deutschland ist bereits ein Produkt aufgetaucht, bei dem das Wort „Milchschokolade“ nach einer Rezepturveränderung aus dem Titel verschwunden ist, wie eine Anfrage bei der Verbraucherzentrale Hamburg (VZHH) ergab.

Produktfotos zeigen, dass die von der Discounter-Kette „Action“ vertriebenen, mit Schokolade überzogenen Rosinen inzwischen unter der Bezeichnung „Milk Chocolate Style Raisins“ verkauft werden. In der neuen Zutatenliste ist von einem Überzug mit „Milchschokoladengeschmack“ die Rede. Die 54 Prozent Vollmilchschokolade wurden unter anderem durch pflanzliches Fett und Kakaomasse ersetzt. „Schokolade darf nur mit Kakaobutter hergestellt werden beziehungsweise nur höchstens fünf Prozent Fremdfette enthalten, was aber in Deutschland vollkommen unüblich ist“, erklärt Armin Valet von der VZHH. 

Eine Umbenennung des Produkts war somit unvermeidlich, räumt auch „Action“ auf Nachfrage ein. Dennoch handle es sich um eine Verbesserung. „Wir haben die Zusammensetzung des Produkts geändert, damit es weiterhin zum niedrigsten Preis erschwinglich bleibt und haben die Gelegenheit genutzt, den Geschmack und das Aroma zu verbessern“, teilt die Pressestelle mit. Die neue Rezeptur werde von der „Action“-Kundschaft sogar bevorzugt, die Verkäufe seien gestiegen.

Lebensmittelhersteller fürchten Imageverlust

Der Fall sei in Deutschland bislang eine Ausnahme und außerhalb des Billigsegments nur schwer umsetzbar, glaubt Verbraucherschützer Valet. „Markenhersteller werden diesen Weg wahrscheinlich nicht gehen, weil es einen öffentlichen Aufschrei geben würde“, sagt er und erinnert an den Fall des Saftherstellers Granini. Dieser hatte im vergangenen Jahr aufgrund steigender Orangenpreise den Fruchtgehalt seiner Säfte so weit reduziert, dass die Getränke nur noch als „Nektar“ verkauft werden durften. Weil Granini den Preis unverändert ließ, sei es trotzdem eine „Mogelpackung“, befand die Verbraucherzentrale damals.

Doch nicht immer sind Rezepturveränderungen so offensichtlich, weiß Dorothee Seelhorst von der Verbraucherzentrale Niedersachsen. Manchmal findet sich auf der Verpackung zwar ein Hinweis auf eine „neue“ oder sogar „verbesserte Rezeptur“ - das könnte ein Signal sein, dass sich ein genauer Blick aufs Kleingedruckte lohnt. „Aber manchmal geht nur aus der Zutatenliste hervor, dass etwas an dem Produkt verändert wurde“, sagt Seelhorst. In solchen Fällen ist das „Qualitätsdumping“, wie Valet es nennt, besonders schwer zu durchschauen. 

Das Portal „Lebensmittelklarheit“ der Verbraucherzentralen soll für mehr Transparenz sorgen. Hier können Verbraucherinnen und Verbraucher Lebensmittel melden, von denen sie sich getäuscht fühlen. Die Expertinnen und Experten Verbraucherzentralen prüfen die Produkte, vergleichen Inhaltsstoffe und ermahnen Hersteller bei Versäumnissen. Aber: „Wir sind darauf angewiesen, dass uns Verbraucher auf Auffälligkeiten hinweisen“, betont Valet. 

„Kakaotropfen“ statt Zartbitterschokolade

Manchmal kann bereits der Geschmack einen ersten Hinweis geben, wie ein in dem Verbraucherportal dokumentierter Fall zeigt: Demnach hatte ein Hersteller eines Schoko-Müslis die Stückchen aus echter Zartbitterschokolade heimlich, still und leise mit „Kakaotropfen“ aus Dattelpulver, Reisextrakt und anderen Zusatzstoffen ersetzt. Das schmecke „billig und nicht mehr so lecker“, so die Beschwerde einer Verbraucherin. 

Auch die Verbraucherschützer bemängeln das Produkt. Zwar wurden Name und Bezeichnung des Müslis leicht verändert. Doch: „Gerade wenn eine wertgebende Zutat wie Schokolade wegfällt, sollte auf der Schauseite ein Hinweis auf die Änderung ins Auge springen. Alles andere ist intransparent und führt zu berechtigtem Ärger.“ Der Hersteller selbst räumt ein, die Rezeptur „moderat“ angepasst zu haben, „um Preiserhöhungen zu vermeiden“. Dabei sei gezielt daran gearbeitet worden, „das sensorische Erlebnis (Geschmack, Textur) möglichst nahe an der alten Rezeptur zu halten.“

Der Fall zeigt auch, worin die hohe Kunst besteht: Die Konzerne wollen ihre Produktionskosten senken, ohne dass dies auffällt oder auf dem Etikett bekannt gegeben werden muss. Vor allem aber muss das Produkt weiterhin schmecken. „Die Rezeptur zu verändern, ist nicht so einfach“, sagt Valet. „Das braucht Zeit – insbesondere, wenn man wenigstens nach außen die gleiche Qualität herstellen möchte.“

Dennoch rechnet Valet fest damit, dass Hersteller immer besser darin werden, Qualitätsverluste zu verschleiern. „Gerade bei Produkten, die zusätzlich Schokolade enthalten und nicht nur aus Schokolade bestehen“, steige die Wahrscheinlichkeit, dass am Kakao gespart wird. „Hier den Herstellern auf die Schliche zu kommen, wird sehr schwierig sein.“ Auch bei Süßigkeiten mit hohem Haselnussanteil führen steigende Rohstoffkosten bereits vermehrt dazu, dass mit neuen Zusammensetzungen experimentiert wird. Wenn am Ende aber wenigstens der Preis stimmt, werden Kundinnen und Kunden wahrscheinlich trotzdem zugreifen.

Der Beitrag ist zuerst bei ntv.de erschienen. Das Nachrichtenportal gehört wie Capital zu RTL Deutschland.

16.11.2025 12:00
Der Franzose Arthur Mensch hat mit Mistral das einzige KI-Start-up in Europa gegründet, das mit der US-Konkurrenz mithalten kann. Trotzdem hält er sich aus dem Wettrennen in Amerika heraus
16.11.2025 10:16

Während nachhaltige Geldanlage an Relevanz verliert, werden Anbieter grüner Robo Advisor immer besser. Wer jetzt noch am Markt ist, meint es ernst – und liefert gute Renditen

Grüne Geldanlage hatte schon bessere Zeiten. Inzwischen scheinen andere globale Krisen den Klimaschutz zu überlagern – Kriege, Inflation oder fehlendes Wachstum. Umso bemerkenswerter ist es daher, dass die Branche der grünen Robo-Advisors, jene digitalen Vermögensverwalter, die die Kundengelder nach ESG-Kriterien anlegen, immer besser wird. Das zeigt die diesjährige Studie von Capital und dem Münchener Institut für Vermögensaufbau (IVA). 

„Die Branche konsolidiert sich“, stellt Studienleiter Gabriel Layes vom IVA fest. „Die weniger ambitionierten Anbieter steigen aus und es verbleiben diejenigen, die es ernst meinen mit der Nachhaltigkeit – aber auch nicht auf Rendite verzichten. Nur wer beides liefert, ist nachhaltig erfolgreich“, sagt Layes.

Zum insgesamt sechsten Mal haben Layes und seine Kollegen die Leistungen der Anbieter untersucht. Robo-Advisors sind digitale Vermögensverwalter, die automatisiert und nach bestimmten Standards das Geld ihrer Kunden anlegen und bestenfalls auch vermehren – auf Wunsch eben nachhaltig, sozial und klimaschonend.

Layes und das IVA sehen in der Szene gewissermaßen einen Trend: Die Anbieter, die ein ausdrücklich nachhaltiges Angebot machen, werden weniger, die Angebote der verbleibenden Robo-Advisors werden dafür besser. Insgesamt nahmen nur noch zwölf Vermögensverwalter am Test teil (Vorjahr: 15), dafür ist das durchschnittliche Ergebnis mit 81,0 von 100 möglichen Punkten so gut wie noch nie. 

„Das beobachten wir regelmäßig: Je häufiger wir eine Studie durchführen, umso eher bleiben schwächere Anbieter fern. Nur solche, die in dem jeweiligen Themengebiet wirklich etwas zu bieten haben, machen noch mit“, sagt Layes. Insofern sei es auch nicht ungewöhnlich, dass bei 30 Einladungen nur zwölf Vermögensverwalter teilnahmen.

Bekannte Namen im Ranking

Viele der Teilnehmer sind somit auch bekannte Namen. Auf Platz eins schaffte es jedoch ein unbekannterer Anbieter: das Leipziger Institut Evergreen mit 91 Punkten, das im Vorjahr noch auf Rang sechs landete. Dahinter kommen der Vorjahressieger GLS (88,7 Punkte) und der Newcomer Willbe, der aus dem Stand 84,2 Punkte holte. Der Vorjahreszweite Triodos, der damals noch einen Großangriff und eine „Transparenz-Offensive“ in Deutschland ankündigte, zog sich inzwischen aus dem deutschen Markt zurück. Man könne in absehbarer Zeit nicht die relevante Größe erreichen, um in Deutsch­land eine bedeutende Wirkung zu entfalten, erklärte CEO Marcel Zuidam. Doch so drastisch wie bei Triodos läuft es bei weitem nicht überall, und ist im Gegenteil auch eine Chance für andere.

„Evergreen beispielsweise zeigt, wie ernst es manche Anbieter mit der Nachhaltigkeit meinen“, sagt Layes. Das Unternehmen habe große Fortschritte bei der Dokumentation ihrer ESG-Bemühungen gemacht, obwohl das Unternehmen recht klein sei. Das zeige, dass auch kleine Unternehmen im Ranking ganz vorne landen können, wenngleich man einräumen müsse, dass insbesondere Großkonzernen diese Dokumentationspflichten leichter fallen.

Evergreen bestätigt, dass Dokumentation eines der zentralen Themen im vergangenen Jahr war. „Unser größtes Projekt 2025 war sicher die B Corp-Rezertifizierung, mit einem Ergebnis von über 139 Punkten. Damit gehören wir zu den drei am höchsten bewerteten Benefit Corporations in Deutschland“, so CEO Iven Kurz. „Das zwingt uns, Fortschritte nicht nur zu behaupten, sondern messbar zu machen.“

Grüne Robos ohne Rüstung

Kurz ist dabei nicht der einzige, der Nachhaltigkeit als Wert zwar betont, aber bei Investoren immer noch die Rendite im Mittelpunkt des Interesses sieht. „Am Ende zählt: Nachhaltigkeit ohne Rendite überzeugt niemanden. Wir sprechen deshalb von ökologischer und ökonomischer Nachhaltigkeit. Beides muss Hand in Hand gehen.“

Für die nachhaltigen Robo-Advisors ist das ein schmaler Grat. Einerseits wollen sie besonders sozialverträglich und klimaschonend anlegen, andererseits eine gute Rendite erzielen. Gerade der Boom bei Rüstungswerten ist für ESG-konforme Fonds ein Problem, da sie Rüstung sehr häufig ganz oder weitgehend ausschließen. In den vergangenen Jahren ist zwar eine größere Diskussion darüber entbrannt, ob der Rüstungssektor aus Nachhaltigkeitsperspektive nicht sehr differenziert bewertet werden müsse – aber großflächig niedergeschlagen habe sich das bislang nicht in den Fonds der grünen Robos. „Wir konnten nicht feststellen, dass lange bestehende Ausschlusskriterien aufgeweicht wurden“, sagt Layes. Das heißt auch, dass grüne Robos auf einen Teil der Rendite durch den Rüstungsboom verzichten – eben zugunsten ihrer Glaubwürdigkeit.

Bei ihren Ausschlusskriterien verlassen sich die meisten Anbieter auf die Rankings externer Anbieter wie MSCIoder Bloomberg. Im weiteren Investmentprozessbetreiben etwas mehr als die Hälfte der Robos aber auch eigene Nachhaltigkeitsuntersuchungen.

Oft hohe Kosten bei rein grünen Robo-Advisors

Dieser Maßstab war auch wichtig für die Kategorie „ESG-Produktqualität“. Hier prüfte das IVA die einzelnen Finanzprodukte eines Anlagevorschlags, den die Teilnehmer einreichten. Das IVA bildete dazu eine eigene Benchmark aus den Nachhaltigkeitsratings mehrerer Anbieter. Dabei erzielte der Zweitplatzierte GLS mit 59,5 von 60 möglichen Punkten beinahe die Maximalausbeute. Ein Grund dafür ist, dass GLS ausschließlich auf aktiv gemanagte Fonds und nicht auf ETFs setzt, um die Nachhaltigkeitskriterien genauer steuern zu können. Dafür ist das Angebot aber auch entsprechend teurer als bei der reinen Anlage in ETFs. Bei GLS liegen die Gesamtkosten (Service Fee plus Fondskosten) brutto zwischen 1,69 und 2,01 Prozent.

Bei den Robo-Advisors mit ausschließlich grünem Angebot sind die Gesamtkosten teilweise sehr hoch, und selbst für an Nachhaltigkeit interessierte Anleger vielleicht ein abschreckender Punkt bei der Wahl für eine grüne Geldanlage. „Im Durchschnitt lag die jährliche Vermögensverwaltungsgebühr bei 0,75 Prozent. Dazu kommen noch Produktkosten von durchschnittlich 0,25 Prozent, die aber auch Selbstentscheider hätten“, sagt Layes. 

Kosten sind wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass das Produkt mit dem höchsten mittleren Gewicht von 29,4 Prozent über alle Robo-Portfolios hinweg ein relativ einfacher ETF ist (SPDR S&P 500 Leaders). „Das ist eine pragmatische Art, den größten Aktienmarkt der Welt mit einem sehr kostengünstigen Produkt abzubilden, das eine gute Nachhaltigkeitsbewertung besitzt“, sagt Layes.

Fortschritte im eigenen Unternehmen

Eine gute Nachricht ist, dass die Anbieter die ESG-Kriterien auch immer stärker an sich selbst anlegen. Auch sie verzichten also auf Flugreisen, unterstützen Umweltprojekte und Diversitätsmaßnahmen im eigenen Unternehmen. Durchschnittlich kamen die Anbieter hier auf einen Wert von 14 bei 20 möglichen Punkten, während es im Vorjahr noch 12,9 Punkte waren. „Hier konnten wir in der Tat größere Fortschritte feststellen“, attestiert Layes.

Bleibt die Frage, wie es in den kommenden Jahren weitergeht. Laut der Ratingagentur Morningstar erholen sich die Zuflüsse in nachhaltige Geldanlagen aktuell leicht. Im zweiten Quartal 2025 verzeichnete die Industrie Nettozuflüsse von 4,9 Mrd. US-Dollar, was allerdings auf einem negativen Rekordquartal Q1 aufsetzte, in dem es Nettoabflüsse von 11,8 Mrd. US-Dollar gab. Die Erholung kam dabei vor allem aus Europa. Hier flossen umgerechnet 8,6 Mrd. US-Dollar in nachhaltige Anlageklassen.

Evergreen-CEO Kurz prognostiziert zunächst weitere Turbulenzen. „Ich rechne mit einer Welle der Konsolidierung. Viele nachhaltige Fonds, die in den Boomjahren schnell aufgesetzt wurden, haben ihre Versprechen nicht gehalten und verschwinden bereits wieder vom Markt. Das ist schmerzhaft, aber notwendig.“ Auch IVA-Studienautor Layes sieht noch kein Ende der Konsolidierungswelle. „Viele Institute werden sich noch genauer überlegen, ob der nötige regulatorische Aufwand im sinnvollen Verhältnis zum Nutzen steht, wenn gleichzeitig das Kundeninteresse sinkt. Dieser Trend könnte sich zunächst noch verstärken, und einige Institute dazu bringen, ihre nachhaltigen Angebote wieder einzustellen.“

16.11.2025 08:00

Unser Kolumnist checkt ein in den beiden Resorts „Soneva Fushi“ und „Soneva Jani“ auf den Malediven. Deren Gründer revolutionierte dort einst mit seiner „No shoes, no news“-Philosophie das Urlaubserlebnis

Carsten K. Rath hat zahlreiche Grandhotels geführt. Er ist Gründer des Hotel-Rankings „Die 101 besten Hotels“, das auch als Buch in Kooperation mit Capital erscheint. Hotels, über die er für Capital schreibt, bereist Rath auf eigene Rechnung.
Carsten K. Rath hat zahlreiche Grandhotels geführt. Er ist Gründer des Hotel-Rankings „Die 101 besten Hotels“, das auch als Buch in Kooperation mit Capital erscheint. Hotels, über die er für Capital schreibt, bereist Rath auf eigene Rechnung.

Was macht ein gutes Hotel aus? Eine Frage, die mich seit Jahrzehnten beschäftigt und beruflich antreibt. Als Hotelier, als Berater, als Kolumnist und als Gast. Ich will versuchen, es mithilfe eines Fachbegriffs aus der Gastronomie anschaulich zu beschreiben: „Mise en place“. In der Praxis bedeutet das schlicht, dass in einer Küche alle Zutaten, Geräte und Werkzeuge vorbereitet und bestmöglich organisiert werden, ehe das eigentliche Kochen beginnt. Das Gemüse ist geputzt und geschnitten, das Fleisch portioniert, die Saucen und Marinaden angerührt, alle Utensilien liegen griffbereit. Ein Vorgehen, das Zeit spart, Stress reduziert und gleichbleibende Qualität zu sichern hilft. 

Im täglichen Hotelbetrieb funktioniert das genauso. Jedes Prozedere und jeder Kontakt mit einem Gast sollten eingeübt und gut vorbereitet werden, damit der Aufenthalt zum mühelosen Erlebnis wird und alles so perfekt wie persönlich wirkt. Und zwar vom Front-Office über das Housekeeping bis zum Concierge-Service. Genau diesen Eindruck habe ich schon zu Beginn meiner Zeit im „Soneva Fushi“, bereits die Anreise verläuft „Mise en place“. Von der Abholung durch einen „Emirates“-Chauffeur über den Layover in Dubai bis zur Landung auf den Malediven, den Tesla-Shuttle vom Flughafen Malé und den Flug im Wasserflugzeug zum „Soneva-Fushi“ im Baa-Atoll.

VIP-Gefühl: Gäste genießen ein privates Gourmet-Dinner in der Villa „9 Bedroom Reserve“ des „Soneva Fushi“
VIP-Gefühl: Gäste genießen ein privates Gourmet-Dinner in der Villa „9 Bedroom Reserve“ des „Soneva Fushi“
© Soneva Hotels / Bruno Aveillan

Im Hotel heißt es: Schuhe abgeben

Als der britische Hotelier Sonu Shivdasani (u. a. Six Senses) das Resort 1995 auf dem Eiland Kunahandhoo eröffnete, waren die Malediven noch auf dem „All inclusive“-Trip und nicht wirklich luxuriös. Shivdasani schwebte etwas anderes vor, ein Barfuß-Luxus, ohne Plastik und mit erneuerbarer Energie. Mit ihrem Motto „No shoes, no news" sollten er und seine Frau Eva das Hotelerlebnis für immer verändern.

Auch ich folge im „Soneva Fushi“ der Einladung meines persönlichen „Barefoot Guardian“ und gebe gleich bei der Ankunft die Schuhe ab. Lediglich eine medienfreie Auszeit gemäß der Devise „no news“ kann ich mir nicht gönnen, schließlich bin ich zum Arbeiten an diesen paradiesischen Ort gekommen.

Meine Villa mit ihren zwei Schlafzimmern, der großen Terrasse, einem eigenen Pool und verstecktem Chill-Out-Bereich ist direkt in Dschungel und Strand eingebettet. Und natürlich wurde sie komplett aus natürlichen Materialien gefertigt, konform der nachhaltigen Philosophie der Soneva-Hotels.

Auf der Terrasse des „Out of the Blue“ im „Soneva Fushi“: Fusionsküche mit Meerblick
Auf der Terrasse des „Out of the Blue“ im „Soneva Fushi“: Fusionsküche mit Meerblick
© Soneva Hotels

Per Seilrutsche ins Restaurant

Der Manager des Resorts, Ali Arafaath, erklärt mir, dass sich während meines Aufenthaltes gleich drei Gastgeber um mich kümmern werden: ein Butler, ein Koch auf Abruf und ein Housekeeper. Somit kann ich hier sehr abgeschieden residieren, mich bekochen lassen, im privaten Fitnessraum trainieren und im privaten Spa entspannen.

Aber ich kann auch „auswärts“ speisen. Mit der Seilrutsche geht es rasant über die Baumwipfel zum Hotelrestaurant „Flying Sauces“ mit einem sehr delikaten Menü und atemberaubendem Blick auf den Laubwald. Kleiner Wermutstropfen: Wo Barfuß-Luxus draufsteht, ist nicht zwingend schnelles WLAN drin. Selbst der Repeater, den mir der Hoteldirektor bringt, hilft der Internetverbindung nicht wirklich auf die Sprünge.

Die offene, exklusive Architektur des „Soneva Jani“ zelebriert das Wohnen über unberührtem Meer
Die offene, exklusive Architektur des „Soneva Jani“ zelebriert das Wohnen über unberührtem Meer
© Soneva Hotels

Eiscreme, Käse, Sterneküche

Mit dem Schnellboot geht es bald darauf weiter zur zweiten Station dieser Test-Reise, dem „Soneva Jani“, dessen riesige Wasservillen sich majestätisch über der Lagune erheben. In einer davon, ausgestattet mit einem klimatisierten Wohn- und Schlafbereich, übernachte ich. Eines der Highlights: Abends öffnet sich das versenkbare Dach und man blickt vom Bett aus direkt in den Sternenhimmel. Das andere: eine Rutsche, die vom Pooldeck ins Meer führt.

Über dem Biolumineszenz-Schimmer am Strand des „Soneva Jani“ erstrahlt der Sternenhimmel
Über dem Biolumineszenz-Schimmer am Strand des „Soneva Jani“ erstrahlt der Sternenhimmel
© Soneva Hotels

Mein „Barefoot Guardian“ führt mich zum „Perfect Restaurant“, einer verlockenden Oase für Naschkatzen direkt am Strand. Drei Räume mit einem üppigen Angebot an Eiscreme, Schokolade und einer beeindruckenden Käseauswahl. Doch die süßen Verführungen müssen warten, denn es zieht mich ins „Overseas“, einem auf Gemüsegerichte sowie Fisch und Meeresfrüchte spezialisierten Restaurant, das auf dem Wasser schwebt. 

Geleitet wird es von Manager Axel Wahlstedt und Chefkoch Max Dahlgren, dessen Vater Mathias ein berühmter schwedischer Sternekoch ist. Das „Chefs Choice Menu“ variiert täglich, je nach dem Fang der Fischer und der Ernte des eigenen Kräuter- und Gemüsegartens. Eine Art des Kochens, die volles Vertrauen in die Fähigkeiten des Küchenteams verlangt – und mich sehr fasziniert.

Das Restaurant „Overseas“ von Mathias Dahlgren im „Soneva Jani“ bietet innovative Küche über dem Wasser
Das Restaurant „Overseas“ von Mathias Dahlgren im „Soneva Jani“ bietet innovative Küche über dem Wasser
© Soneva Hotels / Stevie Mann

Wellness pur im Spa

Dank seiner ausgeprägten Leidenschaft für Wellness hat Soneva-Gründer Sonu Shivdasani das Spa-Angebot im Luxussegment neu definiert. Als ich nach einer Maniküre-Pediküre-Behandlung frage, leitet man mich in einen Raum mit gekalkten, von unten beleuchteten Wänden, in dem ich mich fühle wie in einem Kokon. Während die Mitarbeiter aus Bali sich um meine Hände und Füße kümmern, vergesse ich völlig entspannt kurz Zeit und Raum. Gut möglich, dass „Soneva“ die beste Spa-Marke der Welt ist.

Doch selbst in einem Haus erster Güte wie dem „Soneva Jani“ bleibt Perfektion unerreicht. Obwohl mein Butler bereits seit neun Jahren im Resort arbeitet, kann er leider weder den Fernseher programmieren noch die Störung der Klimaanlage beheben. Also muss ich die Villa wechseln, ein unnötiger Aufwand, der dem sonst erfüllten Anspruch des Hotels nicht gerecht wird.

15.11.2025 18:00

Die US-Regierung unter Donald Trump schafft den Penny ab und verweist dabei auf hohe Produktionskosten. Auch in Europa kostet die Herstellung von Ein- und Zwei-Cent-Münzen mehr, als das Kleingeld wert ist

„Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert“, heißt es im Volksmund – oder auch in Donald-Duck-Comics. In den USA sieht die Wirklichkeit längst anders aus: Die kleinsten Dollar-Münzen, auch Pennys genannt, liegen meist achtlos und ungenutzt herum, weil sie fast nichts wert sind. Donald Trump regt das schon lange auf. „Viel zu lange haben die Vereinigten Staaten Pennys hergestellt, die uns sprichwörtlich mehr als zwei Cent kosten. Das war so verschwenderisch!“, beschwerte sich der US-Präsident bereits im Februar auf seiner eigenen Social-Media-Plattform „Truth Social“ und kündigte an, den Penny abzuschaffen.

In dieser Woche vermeldete das US-Finanzministerium schließlich den Vollzug: Nach mehr als 230 Jahren der Münzproduktion wurden in der US-Zentralbank feierlich die letzten Ein-Cent-Münzen geprägt. Laut dem US-Finanzministerium sollen durch den Stopp der Münzproduktion etwa 56 Millionen US-Dollar an Materialkosten eingespart werden. Einen Penny herzustellen kostete zuletzt fast 3,7 Cent.

In diesen Ländern sind Ein-Cent-Münzen überflüssig

Auch im Euroraum wird die Diskussion längst geführt: Etwa 1,65 Cent fließen in die Herstellung einer Eurocent-Münze, also mehr, als das Geldstück wert ist. Bereits Anfang 2020 legte die EU-Kommission deshalb einen Entwurf vor, wie man sich der kleinen Stahlmünzen mit Kupferauflage entledigen könnte. Finnland und die Niederlande sind hier Vorreiter. Dort werden Beträge schon seit Anfang der 2000er so gerundet, dass im Alltag auf Ein- und Zwei-Cent-Münzen verzichtet werden kann. Belgien, Irland und Italien haben ab 2014 nachgezogen.

Deutschland gilt zwar als das Land der Pfennigfuchser. Inzwischen spricht sich aber auch die Bundesbank für Rundungsregeln aus, um die Zahl der Cent-Münzen zu begrenzen. Laut der jüngsten Eurobarometer-Umfrage wäre sogar eine knappe Mehrheit (53 Prozent) der deutschen Bevölkerung dafür. Im gesamten Euroraum liegt die Zustimmung bei 61 Prozent.

Weil die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher mehr von dem Wechselgeld erhalten, als sie wieder ausgeben, müssen die Münzstätten der Länder permanent für Nachschub sorgen. Allein zwischen 2002 und 2013 mussten die EU-Länder rund 1,4 Milliarden Euro für die Produktion aufbringen.

Produktion des Geldes kostet jedes Jahr Millionen

Am Ende verschwindet das Kleinstgeld oft ungenutzt in Hosentaschen, Sofaritzen und Sparschweinen oder Gläsern. Mit der Zeit kommen immer mehr Ein- und Zwei-Cent-Münzen in Umlauf. Laut den aktuellen Zahlen der Europäischen Zentralbank kursieren im Euroraum derzeit mehr als 40 Milliarden Ein-Cent-Stücke, das entspricht mehr als einem Viertel aller Euromünzen. Dabei machen die europäischen Pennys aber nur etwas mehr als ein Prozent des Gesamtwerts beim Kleingeld aus.

Mit der Abschaffung der Ein- und Zwei-Cent-Münzen könnte Deutschland jährlich Kosten in Millionenhöhe einsparen, sagen die Befürworter einer Rundungsregel. Doch es gibt auch gute Argumente dafür, die Kleinstbeträge zu bewahren. Im Einzelhandel etwa kommt es durchaus auf die Centbeträge an – ein Preisschild mit 99 Cent sieht einfach attraktiver aus als ein glatter Eurowert.

Auch in den USA äußern viele Besorgnis darüber, wie sich Trumps Penny-Bann auswirken könnte. Zwar bleiben die Ein-Cent-Münzen weiterhin im Umlauf – etwa 300 Milliarden Stück soll es noch geben. Menschen können damit immer noch bezahlen. Verlorenes Geld wird jedoch nicht mehr ersetzt. Schon jetzt weisen Geschäfte zum Teil auf einen „Penny-Mangel“ hin und Wirtschaftsexperten warnen, dass die Abschaffung der Ein-Cent-Münze zum Inflationstreiber werden könnte, wenn der Einzelhandel seine Preise demnächst auf Fünferschritte anpasst - und dabei „vergisst“, gelegentlich auch abzurunden.

Der Beitrag ist zuerst bei ntv.de erschienen. Das Nachrichtenportal gehört wie Capital zu RTL Deutschland.

15.11.2025 17:00

Zölle, Fachkräftemangel, Bürokratie: Unternehmen sehen sich mit immer neuen Herausforderungen konfrontiert – sie befinden sich in einem Zustand der permanenten Unsicherheit. Markus Väth erklärt, wie man damit umgehen sollte

Im Action-Film „Heat“ geht es um eine Räuberbande, die von einem Boss (Robert De Niro) geführt und von einem hartnäckigen Polizisten (Al Pacino) gejagt wird. Es ist ein irres Katz-und-Maus-Spiel, nervenaufreibend und mit einem – wie ich finde – sehr gelungenen Finale. Ein echter Klassiker. 

Womit wir beim Thema der heutigen Kolumne wären. Nein, nicht beim Plündern und Rauben. An einer Stelle verrät Robert De Niro sein Geheimnis, wie er so lange so erfolgreich ein Krimineller sein konnte: Binde dir nichts ans Bein, was du nicht in 30 Sekunden zurücklassen kannst. Sei leichtfüßig und mitleidlos. Der Preis eines solchen Lebens: immer auf der Hut sein, immer unter Spannung, bereit, von jetzt auf gleich ins Auto zu steigen und nicht mehr zurückzublicken.

Viele Unternehmen sind heute in der Situation von Robert De Niro. Vielleicht weniger was das Plündern und Rauben angeht, sondern eher das ständige Über-die-Schulter-blicken, das Unsichere, die ständige Spannung. „Permanent beta“ nennt sich dieser Zustand. 

„Permanent beta“ ist gekommen, um zu bleiben

Stets unfertig, mit einer gewissen Unruhe verbunden und unter hohen Kosten für das tägliche Wohlbefinden sieht sich ein Unternehmen immer öfter einer Situation des Unkontrollierbaren, der Bedrohung gegenüber. Politische Frakturen, Zölle, Fachkräftemangel, Spionage, Bürokratie, Demotivation: Dies alles und noch mehr prasselt auf die Unternehmen ein. Es ist nicht mehr ein Al Pacino, der einen jagt, sondern Dutzende, Hunderte. 

Was im Kino noch „die Straße“ war, ist für viele Unternehmen heute das „permanent beta“. Jener Zustand der Unsicherheit, den man hinnehmen muss, nicht mehr wegmanagen kann, bis hin zur bitteren Wahrheit, dass nur der überlebt, der wie De Niro alles in 30 Sekunden hinter sich lassen kann: Geschäftsmodelle, Mitarbeiter, Loyalitäten, Technologien, Strukturen. 

Dennoch gibt es Dinge, die Sie als Führungskraft tun können, um dieses „permanent beta“ abzufedern. Es kann und soll ja nicht in einer wilden Straßenschießerei enden. So etwas kann böse ausgehen (fragen Sie De Niro). Mit diesen Maßnahmen halten Sie „permanent beta“ in Schach:

1. Prinzipien statt Regeln

Stellen Sie im Arbeitsalltag flexible Prinzipien auf statt starrer Regeln. Geben Sie sich selbst und ihren Mitarbeitern Luft zum Atmen. Seien Sie klar in der Ziel-Botschaft, aber großzügig beim Weg hin zum Ziel. Das provoziert Mitdenken und die Übernahme von Verantwortung bei Ihren Mitarbeitern.

2. Autonomie von unten

Lassen Sie Verantwortung los und geben Sie sie nach unten ab. Und zwar echte Verantwortung, mit Budget und allem. Sie haben Leute eingestellt? Dann trauen Sie ihnen auch zu, ihre Probleme zu lösen. Ansonsten sollten vielleicht Sie über einen neuen Job nachdenken, und nicht Ihre Mitarbeiter.

3. Radikale Führung

De Niro wurde nicht als begnadeter Schauspieler geboren. Er arbeitete lange, hart und mit den Besten seines Faches. Das Gleiche gilt für Sie als Führungskraft. Wie Führung aussehen sollte, habe ich unter anderem hier in meiner Kolumne über „Ent-Bullshitisierung von Führung“  beschrieben. 

4. Lernschleifen 

Den Luxus, Probleme zu ignorieren, können Sie sich als Führungskraft im „permanent beta“ nicht mehr leisten. Prüfen, lernen, besser machen – das muss Ihre tägliche Devise im „permanent beta“ sein. Sonst sind Sie und Ihr Unternehmen ganz schnell weg vom Fenster. 

Geht das „permanent beta“ irgendwann wieder weg? Ich fürchte nein. Können Sie damit umgehen lernen? Ganz sicher. Es muss ja nicht gleich enden wie bei „Heat“ (Sie sehen, ich liebe diesen Film und will Sie ein wenig anspitzen, ihn sich anzusehen). Aber im Ernst: Wenn Sie „permanent beta“ überstehen wollen, sollten Sie jetzt Gegenmaßnahmen ergreifen. Setzen Sie sich mit Ihren Kollegen zusammen, diskutieren Sie die eben genannten vier Punkte und legen Sie los. Je früher, desto besser. 

15.11.2025 15:00

SAP setzt darauf, dass bei KI erst mit den Anwendungen richtig Geld verdient wird. Konzern-CTO Philipp Herzig erklärt auch, warum er in selbst gebauter Software keine Bedrohung sieht

Der Dax-Konzern SAP ist ein deutsches Schwergewicht: über 34 Mrd. Euro Umsatz im Jahr 2024, mehr als 100.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weltweit, ein Software-Gigant. Wenn allerdings von den Treibern der künstlichen Intelligenz (KI) die Rede ist, dann fällt der Name SAP eher selten, ein eigenes großes Sprachmodell (LLM) hat das Unternehmen nicht entwickelt.

Im Capital-Podcast verteidigt Philipp Herzig, SAP-CTO (Chief Technology Officer) und KI-Chef im Konzern, diese Entscheidung. „Es ist natürlich bei jeder technologischen Disruption so, dass am Anfang die Aufmerksamkeit auf denen liegt, die die Grundlagenkomponenten bauen“, sagt er. „Wir haben uns von Anfang an darauf konzentriert, was die SAP stark macht, und das ist das Einbauen von Technologie in die betriebswirtschaftlichen Anwendungen.“

SAP-Manager: „In Ehrfurcht vor GPT-4 erstarrt“

Herzig verweist darauf, dass KI bereits in vielfacher Form in den Anwendungen von SAP zum Einsatz kommt und den Kunden ein eigener KI-Assistent zur Verfügung steht. Aus seiner Sicht haben sich die großen Sprachmodelle zu einer Art Rohstoff entwickelt, auf dessen Grundlage erst die eigentlich erfolgversprechenden Anwendungen entwickelt werden.

„Ich kann mich an Diskussionen bei uns erinnern, da kam gerade GPT-4, und alle waren in Ehrfurcht erstarrt“, sagt Herzig. „Ich habe aber schon damals gesagt: Der Algorithmus selbst wird schnell Commodity, das ist in den letzten 40 Jahren immer passiert. Die Frage ist, was ist differenzierend? Und das sind und waren Daten und der Fokus auf die Wertschöpfung im Unternehmen.“

Die Gefahr, dass der Software-Hersteller Aufträge verlieren könnte, weil KI auch die Möglichkeit bietet, mit Hilfe von „Vibe Coding“ selbst Software zu entwickeln, weist der CTO entschieden zurück. „Ich kann natürlich schnell meine Hobby-App machen“, sagt er. „Aber wenn ich wirklich eine ernsthafte Anwendung haben will, die Datenschutzbestimmungen einhält, bei der Informationssicherheit gewährleistet ist und bei der Verständnis dafür einfließt, was im Unternehmen wirklich abgeht, dann ist es ein Haufen Arbeit.“

Hören Sie in der neuen Folge von Capital – der Wirtschaftspodcast:

  • Wie SAP betriebswirtschaftliche Vorhersagen produziert
  • Was die Killer-Anwendung bei KI ist
  • Warum Herzig bei SAP nicht an Job-Verluste durch KI glaubt

Alle Folgen finden Sie direkt bei RTL+, Apple oder Spotify

15.11.2025 13:00

Der russische Ölkonzern Lukoil steckt wegen US-Sanktionen in erheblichen Schwierigkeiten. Das Unternehmen steht unter großem Zeitdruck, seine Auslandstöchter zu verkaufen

Der russische Ölkonzern Lukoil steckt in einer existenziellen Krise. Der Grund sind von der US-Regierung verhängte Sanktionen. Als Konsequenz muss sich das Unternehmen bis zum 21. November von seinen ausländischen Töchtern trennen - oder riskiert, diese Beteiligungen komplett abschreiben zu müssen. Lukoil hatte in dem Rohstoffhändler Gunvor noch rechtzeitig einen Käufer gefunden. Doch die USA blockierten den Deal, und das in der Schweiz ansässige Unternehmen zog das Angebot zurück. 

Zuvor hatte Gunvor-Chef Torbjorn Tornqvist in einem Interview die Probleme hervorgehoben, mit denen Lukoil bei der Verhandlung des Deals konfrontiert war: „Die gesamten internationalen Aktivitäten von Lukoil sind lahmgelegt. Niemand kann mit ihnen Geschäfte machen“, sagte er der „Financial Times“. Der Zeitung zufolge haben die Auslandstöchter einen Wert von 14 Milliarden US-Dollar.

Gunvor war in den 2000er Jahren zum weltgrößten Händler für russisches Öl aufgestiegen. Dem Unternehmen wurde in der Vergangenheit immer wieder Nähe zum Kreml und zum russischen Präsidenten unterstellt. Gunvor weist diese Vorwürfe zurück. 

Die US-Regierung sieht das allerdings anders. Das Finanzministerium bezeichnete Gunvor als „Marionette des Kremls“ und kündigte Widerstand gegen das Geschäft an. Solange der russische Präsident Wladimir Putin das „sinnlose Morden“ [in der Ukraine] fortsetze, werde Gunvor niemals eine Lizenz erhalten. Das Unternehmen bestritt diese Bezeichnung und nannte sie „grundlegend falsch informiert und unwahr“. Man begrüße die Gelegenheit, dieses „eindeutige Missverständnis“ zu korrigieren. 

Auswirkungen bereits spürbar

Die Zeit für Lukoil drängt. „Die Eigentümer bereiten sich bereits auf die Möglichkeit vor, dass ihnen ihre Vermögenswerte einfach weggenommen werden könnten“ - und zwar von den Ländern, in denen diese ansässig sind“, zitiert die „Financial Times“ einen Insider des russischen Ölmarktes. Die US-Sanktionen verbieten nach Angaben des Finanzministeriums in der Praxis jede wirtschaftliche Interaktion mit Lukoil und den Tochterfirmen - nicht nur für US-Unternehmen, sondern auch für ausländische. Das Finanzministerium warnte explizit Banken, weiterhin Geschäfte mit Russlands Energieindustrie abzuwickeln. Diese Institute könnten dann vom US-Finanzsystem ausgeschlossen werden.

Das Weiße Haus hatte im Oktober Sanktionen gegen die russischen Ölkonzerne Lukoil und Rosneft verhängt und die Frist bis zum 21. November gesetzt, alle Geschäfte mit den beiden Unternehmen abzuwickeln. Wer danach noch Geschäfte mit ihnen macht, läuft Gefahr, von den USA mit Sekundärsanktionen belegt zu werden.

Der Schritt markierte eine deutliche Wende der Russland-Politik von US-Präsident Donald Trump. „Angesichts der Weigerung von Wladimir Putin, diesen sinnlosen Krieg [in der Ukraine] zu beenden, verhängt das Finanzministerium Sanktionen gegen die beiden größten russischen Ölkonzerne, die die Kriegsmaschinerie des Kremls finanzieren“, teilte Finanzminister Scott Bessent mit. Seine offenbar wachsende Frustration über den russischen Präsidenten veranlasste Trump zudem, ein geplantes Gipfeltreffen in Ungarn abzusagen. 

Die Auswirkungen der Sanktionen sind bereits spürbar. In Finnland fürchten rund 1000 Mitarbeiter der Tankstellenkette Teboil um ihre Arbeitsplätze. Denn finnische Banken haben dem Bankenverband Finance Finland zufolge damit begonnen, Zahlungen an die Lukoil-Tochter einzufrieren. Und im Irak strich die staatliche Firma Somo die Verladung von Rohöl-Ladungen aus dem West-Qurna-2-Feld, an dem Lukoil einen Anteil von 75 Prozent hält. In Bulgarien bereitet die Regierungskoalition Gesetzesänderungen vor, die es ihr ermöglichen, die Kontrolle über die Lukoil-Raffinerie - die einzige Raffinerie des Landes - zu übernehmen, um eine Stilllegung zu verhindern, die die Kraftstoffversorgung des Landes gefährden könnte.

Mysteriöse Todesfälle bei Lukoil

Lukoil besitzt außerdem eine der größten Raffinerien Rumäniens sowie Anteile an einer Raffinerie in den Niederlanden; zudem Tankstellen unter anderem in Italien, Serbien, Montenegro und Mazedonien.

Im Gegensatz zum Staatskonzern Rosneft hat Lukoil auf das Auslandsgeschäft gesetzt. Angesichts der US-Sanktionen dürfte sich die Zukunft deshalb schwierig gestalten, da der heimische Markt von Rosneft und dem ebenfalls staatlich kontrollierten Energiekonzern Gazprom Neft dominiert wird. Spekuliert wird nun, dass Rosneft Lukoil schlucken könnte. Der von Putins langjährigem Vertrauten Igor Sechin geführte Konzern hatte in der Vergangenheit mehrfach versucht, Lukoil zu übernehmen. Doch der Kreml lehnte das bisher ab. Lukoil ist formell ein privates Unternehmen.

In die Schlagzeilen geriet es in jüngster Vergangenheit wegen einer Reihe von Todesfällen russischer Oligarchen, Manager und Politiker, die Verbindungen zum Energiesektor haben. Auch hochrangige Lukoil-Manager starben.

Im Herbst 2022 war der damalige Vorstandschef Lukoils offiziellen Angaben zufolge durch einen Sturz aus einem Krankenhausfenster ums Leben gekommen. Ein ehemaliger Vorstandskollege war vorher gestorben - laut russischen Medienberichten durch ein bizarres Ritual bei einem Schamanen, das schiefging. 2023 starb der neue Vorstandschef - nach Unternehmensangaben an einer akuten Herzinsuffizienz. Im vergangenen Jahr wurde der Vize-Präsident von Lukoil in seinem Büro tot aufgefunden.

Der Beitrag ist zuerst bei ntv.de erschienen. Das Nachrichtenportal gehört wie Capital zu RTL Deutschland.

15.11.2025 10:00

In diesem Jahr feiert der Capital-Kunstkompass seinen 55. Geburtstag. Exklusiv dazu hat Tony Cragg eine limitierte Edition auf Papierkreiert. Hier können Sie sie bekommen

Besucht man Tony Craggs Skulpturenpark Waldfrieden in Wuppertal, überrascht er einen immer wieder. Neben den gewaltigen und dennoch facettenreichen Skulpturen zeigt Cragg in diesem Jahr in seiner Einzelschau „Line of Thought“ (noch bis 1. Januar) auch 24 jüngere Arbeiten aus geblasenem Glas – und 188 Zeichnungen. Für Cragg (den der Direktor der Wiener Albertina vor einigen Jahren als bedeutendsten Bildhauer unserer Zeit würdigte) sind Arbeiten auf Papier keine Entwürfe für seine Skulpturen, sondern behaupten sich als autonome Kunst. „Zeichnen ist für mich eine Form des Denkens in Bewegung“, sagt er. „Ich zeichne, um zu verstehen, was Form alles sein kann, wie sie lebt, sich verändert, vergeht.“

Form kennt man von ihm vor allem in drei Dimensionen, mit seinen unverkennbaren Skulpturen gewann er in diesem Jahr 9 400 Kompasspunkte dazu – Höchstwert 2025. Doch seine wunderbaren Zeichnungen stehen dem in nichts nach. 

„Sobald man den Stift auf das Blatt und in Bewegung setzt, fängt die Reise an, und man ist neugierig, wohin sie geht“, sagt er. „Man kann mit Zeichnungen Dinge tun, die in der Wirklichkeit unmöglich sind. Man kann transparent sein. Man kann innerliche Strukturen zeigen. Man kann die Illusion dreidimensionaler Strukturen schaffen, die in der Realität unmöglich herzustellen sind.“

So bestellen Sie die Edition

Der Druck wird von der Herausgeberin des Kunstkompasses Linde Rohr-Bongard zum Preis von 555 Euro plus Transportkosten vertrieben und kann direkt bei ihr bestellt werden: kompassedition@gmx.de.

Die Edition wird in der Reihenfolge der Bestellungen innerhalb von sechs Wochen geliefert.

15.11.2025 08:00
Der Capital-Kunstkompass versammelt die renommiertesten Gegenwartskünstler – und die aufregendsten Stars von morgen
15.11.2025 08:00
Egal ob in den Top 100 oder unter den Stars von morgen: Diese Künstler hatten insgesamt den größten Punktezuwachs im Kunstkompass 2025
15.11.2025 08:00
Wer in dieser Kunstliste steht, hat es wirklich geschafft: die führenden 100 Gegenwartskünstler weltweit
15.11.2025 08:00
Der größte Ruhm ist der Nachruhm. Dennoch trauert die Kunstwelt immer wieder, wenn ein Großer sie verlässt. In diesem Jahr etwa: Günther Uecker
14.11.2025 18:00
Die Überschuldung von Verbrauchern nimmt erstmals seit Jahren zu. Der neue Schuldneratlas von Creditreform zeigt, in welchen Teilen Deutschlands die Probleme am größten sind.
14.11.2025 16:00

Die Beschlüsse zum Industriestrompreis und zur Luftverkehrssteuer verlieren sich im Klein-Klein und bringen das Land nicht voran. Dabei gibt es starke Vorschläge für wirksame Reformen – die sogar umsetzbar wären

Eine der schlimmsten Phrasen in Talkshows und den berühmten Berliner Hinterzimmern lautet: „Wir haben kein Erkenntnisproblem, wir haben ein Umsetzungsproblem.“ Wann immer in diesen Wochen zwei oder mehr politisch interessierte Menschen zusammensitzen und länger als 30 Minuten Zeit miteinander verbringen, fällt irgendwann dieser Satz. Meist mit diesem etwas genervten, verständnislosen Unterton: Wann passiert denn jetzt endlich was? 

Aber es passiert eben nichts. Oder zu wenig, und das seit Jahren schon, vielleicht seit Jahrzehnten. Weshalb man dringend mal die Gegenfrage stellen sollte: Sind wir uns wirklich sicher, dass alle noch wissen, was zu tun wäre (aber leider, leider haben die entscheidenden Leute zu viel anderes um die Ohren)? Oder sind wir uns tatsächlich gar nicht mehr sicher, was wirklich gegen Dauerflaute, Stagnation und Mutlosigkeit im Land zu tun wäre? 

Drei Ereignisse gaben darüber in dieser Woche Aufschluss, und sie zeigen ganz gut, wo Deutschland und seine Entscheider gerade stehen. 

Da war zum einen die Vorstellung des neuen Buchs von Journalist, Autor und Medienunternehmer Gabor Steingart: „Systemversagen: Aufstieg und Fall einer großartigen Wirtschaftsnation.“ Auf mehr als 500 Seiten zeichnet Steingart darin gewohnt thesen- und meinungsstark den Niedergang der deutschen Volkswirtschaft nach. Die historische Herleitung des tristen Status quo ist etwas lang geraten, aber inhaltlich gibt es daran nicht viel zu mäkeln – einen pointierten Auszug können Sie hier nachlesen. Anders verhält es sich mit dem zweiten, deutlich kürzeren, aber auch spannenderen Teil: Steingarts Agenda für einen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufbruch, zwölf Forderungen, die, einmal umgesetzt, Deutschland wieder nach vorne bringen sollen. 

Steingarts schräges Wunschkonzert

Darin finden sich sinnvolle Vorschläge, etwa volle Priorität auf eine Politik, die die Bedingungen für mehr Wachstum schafft, oder auch die Forderung, die Bildungspolitik zu zentralisieren und das Schulfach Wirtschaft von der Grundschule an im Unterricht fest zu verankern. Nicht jede und jeder muss sich später für Wirtschaft interessieren, aber ein bisschen Ahnung von den Bedingungen unseres Sozial- und Wohlfahrtsstaates sollten alle haben.  

Leider geht mit Steingart dann aber die Fantasie durch, seine Agenda für einen wirtschaftlichen Aufbruch entwickelt sich von Seite zu Seite zu einem zunehmend schrägen Wunschkonzert, wie ich in einer Replik auf Steingart geschrieben habe. Ein Beispiel: Steingart fordert die Umstellung der heutigen Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung auf ein System der Kapitaldeckung. Deutschland solle eine Art Staatsfonds gründen, in den die heutigen Sozialbeiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern eingezahlt werden. Mit dem Geld soll der Fonds dann weltweit Aktien und Anleihen kaufen und aus deren Erträgen, also Zinsen und Dividenden, wiederum alle Renten sowie die Ausgaben für Gesundheit und Pflege bezahlen – derzeit immerhin 800 Mrd. Euro jedes Jahr, Tendenz schnell steigend.  

Dazu sind zwei Dinge zu sagen: Es ist absolut richtig und sogar lange überfällig, dass Deutschland die kapitalgedeckte Altersvorsorge ausbaut. Die einst dazu gedachte Riester-Rente ist gescheitert, und eine Alternative gibt es bisher nicht – weshalb an den meisten Deutschen der enorme Vermögenszuwachs an den Kapitalmärkten seit Jahrzehnten vorbeigeht. Was wiederum bei vielen das Gefühl (und den Frust) bestärkt, dass reicher immer nur die anderen werden – eine Tatsache, der Capital gerade erst eine große Titelgeschichte gewidmet hat. 

Aber, ganz so wie Steingart es sich vorstellt, geht es eben doch nicht. Bei einer unterstellten Rendite von durchschnittlich acht Prozent pro Jahr sprächen wir über einen Staatsfonds, der ein Volumen von mindestens 10 Billionen Euro bräuchte. Zum Vergleich: Der größte Staatsfonds der Welt ist heute der norwegische „Staatliche Pensionsfonds“ mit einem Vermögen von gut 1,7 Billionen Euro – er speist sich insbesondere aus den üppigen Öleinnahmen des Landes. 

Bodenschätze, die man einfach anzapfen könnte, um so einen Fonds zu befüllen, hat Deutschland leider nicht. Damit bleibt die Frage ungeklärt, wie der Übergang von einem Umlage- zu einem System der Kapitaldeckung verlaufen soll. Wer soll die laufenden Renten sowie die Ausgaben für Gesundheit und Pflege bezahlen, wenn die heutigen Beiträge in den Aufbau des neuen Fonds fließen? Aus Sicht von Steingart offenbar ein lässliches Detail – er verliert darüber in seinem Buch kein Wort. Auf Nachfrage schlägt er vor, der Staat solle einfach einspringen und über Schulden den nötigen Kapitalstock aus Aktien und Anleihen vorfinanzieren. 

Gut möglich, dass Steingarts Buch viele Leser und Leserinnen finden wird, seine Fangemeinde ist groß. Aber solche Vorschläge, auch hier vorgetragen mit der unterschwelligen Forderung, das müsse man jetzt einfach mal machen, sind ihrerseits Teil des Problems: Sie mögen theoretisch interessant sein, aber sie sind unrealistisch oder teils sogar unsinnig und verstellen den Blick auf das, was wirklich notwendig und möglich wäre. Sie lenken ab und verwirren – teils auch noch mit falschen Zahlen und Berechnungen – sodass wir am Ende wirklich ein Erkenntnisproblem haben. 

Der Sachverständigenrat weiß, wie es besser geht

Wie man es besser macht, bewies in dieser Woche der Sachverständigenrat für Wirtschaft der Bundesregierung. Dessen fünf Mitglieder lieferten eine ebenso ernüchternde wie ehrliche Bestandsaufnahme der Lage: 0,2 Prozent Wachstum in diesem Jahr, und bestenfalls 0,9 Prozent Wirtschaftswachstum im nächsten. Und das – je nach Standpunkt – trotz oder wegen der vielen Milliarden, die der Staat für Infrastruktur und Investitionen in die Hand nimmt. Das Problem ist halt, dass die Regierung große Teile der Extra-Milliarden nicht in echte zusätzliche Investitionen steckt, sondern in Dutzende Klientelprojekte, die die darbende deutsche Wirtschaft keinen Millimeter voranbringen. Angesichts der historischen Chance, die sich Union und SPD mit dem 500-Milliarden-Sondervermögen selbst geschaffen haben, muss man leider heute ein historisches Versagen befürchten.

Doch auch der Sachverständigenrat bleibt nicht bei dieser tristen Lage stehen, sondern liefert konkrete Vorschläge, wie es besser gehen würde: etwa mit einer grundlegenden Steuerreform für Unternehmen, die dauerhaft Anreize für mehr Investitionen im Inland setzen würde. Und mit einer Reform der Erbschaftsteuer, die zugleich Spielräume schaffen würde, den Faktor Arbeit in Deutschland steuerlich zu entlasten. Denn neben mehr Investitionen braucht dieses Land eine glaubwürdige und dauerhafte Wachstumsagenda – eine Reform der Unternehmenssteuern und eine spürbare Entlastung der mittleren Einkommensbezieher würde hier wahre Wunder bewirken. Anders als Steingarts Luftschlösser sind die Reformen der Ökonomen sogar machbar und realistisch. Aber das Problem ist auch hier: Es fehlt nicht nur die Umsetzung, sondern ganz offensichtlich auch die Erkenntnis – bei Union und SPD. 

Kostspielige Reformen, die wenig bewirken

Das zeigte sich spätestens beim dritten Ereignis dieser Woche – streng genommen waren es sogar noch mal zwei, ich fasse sie aber großzügig zusammen: zum einen der Koalitionsgipfel der Partei- und Fraktionschefs am Abend, zum anderen die Bereinigungssitzung zum Bundeshaushalt 2026. Beide Runden machten deutlich: Statt sich noch mal zwei oder drei Wochen Zeit zu nehmen für einen wirklich großen Wurf – etwa in der Finanz- und Steuerpolitik – arbeiten Union und SPD lieber stoisch ihren Koalitionsvertrag ab. 

Heraus kamen dabei am Donnerstagabend ein vergünstigter Strompreis für die Industrie, eine Steuererleichterung vor allem für die Lufthansa und ein weiteres Förderinstrument für Investitionen in Deutschland – alles nicht komplett falsch, aber eben auch nichts, was allen Unternehmen und Arbeitnehmern gleichermaßen helfen und damit die Stimmung insgesamt heben würde. Vielmehr ist bei all diesen Einzelmaßnahmen – wie auch bei der Steuersenkung für Restaurants – die Gefahr groß, dass sie den Staat zwar viel Geld kosten, aber wenig bewirken.  

Veränderungen groß zu denken, fällt uns in Deutschland offenbar schwer. Immer gibt es irgendwelche Bedenken, weshalb wir uns schnell im Kleinklein verheddern. Oder wir versteigen uns, wie Steingart, zu Radikalentwürfen, die leider jede Bodenhaftung verlieren. In der Mitte läge die hohe Regierungskunst: große Veränderungen, die realistisch sind und für die sich Mehrheiten organisieren lassen. Sie sind möglich, nur dafür braucht es dringend zwei Dinge: Erkenntnis und mehr Mut – gerade bei Union und SPD.

14.11.2025 15:00

Die Bundesregierung will die Wirtschaft ankurbeln – und entlastet den Luftverkehr. Wem bringt das was? Der Umwelt und den Verbrauchern wenig, den Bilanzen der Airlines schon mehr

Die schwarz-rote Koalition ist doch noch für Überraschungen gut. Als Bundeskanzler Friedrich Merz und sein Vize Lars Klingbeil am Donnerstag mit CSU-Chef Markus Söder und der SPD-Co-Vorsitzenden Bärbel Bas nach stundenlangen Beratungen im Koalitionsausschuss vor die Presse traten, präsentieren sie stolz ein Luftverkehrspaket. Damit hatten an der Stelle wohl die wenigsten gerechnet.

Im von Merz versprochenen Herbst der Entscheidungen warten viele auf Entscheidungen, die die lahmende Wirtschaft wieder beleben: die Bauwirtschaft ankurbeln, das Heizungsgesetz nachjustieren, das Rentensystem reformieren. Das sind große Brocken, die von der Regierung bislang nicht angepackt wurden. Stattdessen ein Bröckchen, das im Koalitionsvertrag und in den laufenden Diskussionen eher eine Randnotiz war: Die Luftverkehrssteuer soll Mitte kommenden Jahres gesenkt werden. Die Kosten dafür taxiert der Kanzler auf 350 Mio. Euro. 

Die Lobbyisten der Luftverkehrsbranche können sich diesen Erfolg ans Revers heften. Ihre gebetsmühlenartig wiederholten Mahnungen, dass zu hohe Steuern und Gebühren die Fluggesellschaften strangulieren und den Standort Deutschland gegenüber anderen Märkten unattraktiv machen, haben verfangen. 

Doch was verspricht sich die Bundesregierung von dieser Maßnahme und welches Signal senden die Koalitionäre damit? Es stimmt, dass Steuern und Gebühren für Flugtickets happig sind: Derzeit betragen die Abgaben pro Flug 15,53 Euro auf Inlands- und Kurzstrecken, 39,34 Euro auf Mittelstrecken und 70,83 Euro auf Fernflügen. Die Kosten tragen die Fluggesellschaften. Die Zeiten von Schnäppchenpreis ab 19 Euro, wie sie vor einigen Jahren noch beworben wurden, sind deshalb schon lange vorbei. Aber ob niedrigere Luftverkehrssteuern nun auch an die Kunden weitergegeben werden, ist offen. Die Branchenvertreter halten sich in ihrem Freudentaumel mit entsprechenden Ankündigungen bislang zurück. 

Für den Standort Deutschland unerheblich

Genauso wenig können sich Regierung und Wirtschaft darauf verlassen, dass wieder mehr Flugstrecken in Deutschland aufgenommen werden. Die Lufthansa hat ihr Angebot außerhalb der Drehkreuze Frankfurt und München kräftig ausgedünnt. Billiganbieter wie Ryanair und Easyjet haben sich von vielen Standorten zurückgezogen. Ob sie jetzt wegen der niedrigeren Steuern wieder zurückkommen, um verwaiste Standorte wie Münster oder Paderborn ins Streckennetz aufzunehmen, ist wohl eher unwahrscheinlich. 

Für den Standort Deutschland wird die Senkung der Luftverkehrssteuer absehbar wenig bringen. Kein Unternehmer in der Provinz wird dadurch bessere Flugverbindungen für Geschäftsreise bekommen. 

Viel mehr dürften sich die niedrigeren Luftverkehrsabgaben in den Bilanzen der Airlines bemerkbar machen – als kleiner Posten neben anderen hohen Ausgaben für Personal, Sicherheit, Treibstoff. Einen deutlichen größeren Effekt in der Bilanz wird aber haben, dass die Bundesregierung auch die Quote für sauberes Flugbenzin streicht. Damit ist der von den Grünen im Vorgängerkabinett noch hartnäckig verteidigte Plan zur Beimischung von grünem Wasserstoff vom Tisch. 

Die Botschaft, die die Regierung damit sendet: Umweltschutz kann warten. Der Druck auf die Industrie, den CO₂-Ausstoß zu senken, ist weg. Lieber nehmen Union und SPD in Kauf, dass die Menschen in Deutschland mehr zahlen müssen, um auf umweltfreundlichere Verkehrsträger umzusteigen: Denn über die Finanzierung des Deutschlandtickets hatte sich die Koalition in den vergangenen Monaten so verhakt, dass sie sich schließlich nur auf eine Preiserhöhung von 58 auf 63 Euro pro Monat für die deutschlandweit gültige Zeitkarte einigen konnte – zulasten der Verbraucher. 

14.11.2025 14:30
Das Silicon Valley hat ein halsbrecherisches Rennen um die Zukunft der KI begonnen. Ob die Billionenwette je aufgehen kann, ist höchst fraglich